xAPI – Was steckt dahinter?

In unserem letzten Blogbeitrag zu xAPI haben Sie erfahren, was xAPI eigentlich ist und welche Einsatzmöglichkeiten es dafür gibt. Heute tauchen wir tiefer ein und sehen uns den technischen Hintergrund genauer an.

Fassen wir zu Beginn aber noch einmal kurz die Hardfacts zusammen: xAPI ist, ähnlich wie SCORM, ein Kommunikationsstandard für E-Learning Content, der Abschlussinformationen an ein System übermittelt. Im Gegensatz zu SCORM müssen Contents dafür aber nicht im LMS eingebettet sein, sondern können z. B. aus einer E-Mail heraus geöffnet werden. Außerdem können Lernfortschritte dank xAPI direkt an beliebigen, vorher definierten Stellen übermittelt werden und nicht erst mit Abschluss des Kurses. Diese Informationen werden in einem LRS (Learning Record Store) gespeichert.

Jetzt aber back-to-business! 

Was steckt technisch hinter diesem Kommunikationsstandard? 

xAPI (gelegentlich Tin Can API genannt) wurde 2013 als E-Learning Standard von der ADL Initiative (Advanced Distributed Learning) vorgestellt. Mit diesem Standard können sämtliche Lernerfahrungen die bisher gar nicht oder nur mit viel Aufwand getrackt werden konnten, über dasselbe System verwaltet und ausgewertet werden. Die Grundbausteine sind Statements, in der Form von Subjekt-Prädikat-Objekten. Jede Lernerfahrung kann auf diese Weise festgehalten werden. „Sabine las ein Buch“, „Peter bestand den Test mit 95%“ und “Claudia besuchte das Seminar” sind alles Aussagen, die mit xAPI gespeichert werden können. Diese Aussagen werden dann über das Internet an die LRS Datenbank geschickt. 

Aber auch für herkömmliche E-Learning Kurse lässt sich im Vergleich zu SCORM ein weitaus detaillierteres Reporting generieren. Da die Kommunikation neben “Bestanden/Nicht bestanden” und “Punkten” auch Informationen über das Verhalten der Lernenden auf den einzelnen Seiten beinhalten kann. So können Zusammenhänge zwischen einzelnen Teilen des E-Learnings (z. B. Übungen und zugehörigen Testfragen) festgestellt werden. Folgende Aussagen lassen sich beispielsweise abbilden: “Anna öffnete das zweite Kapitel”, “Ben wählte bei Übung 2 die Antwortoption 3 aus“, „Maria wiederholte die dritte Übung 5-mal“

Wo besteht noch Verbesserungsbedarf?

Wie vielen vielleicht bekannt ist, sind die zwei älteren E-Learning Standards (SCORM 1.2 und SCORM 2004) weiterhin sehr verbreitet und xAPI ist eher eine Randerscheinung. Einer der Hauptgründe dafür ist, dass der Standard zu offengehalten wurde. Unterschiedliche Authoring Tools liefern unterschiedliche Aussagen, wodurch plattformübergreifende Entwicklungen mit vielen Herausforderungen verbunden sind.

Dieses Problem wurde auch von der ADL erkannt. Aus diesem Grund wurde cmi5 entwickelt, ein xAPI Profil, das sich an den gewohnten E-Learning Prozessen von LMS-Uploads und festgelegten Übertragungswerten orientiert. Mit cmi5 sollte der Umstieg auf xAPI basiertes Lernen für erfahrene E-Learning Developer*innen leicht gelingen. Leider bieten bisher nur wenige Autorentools cmi5 Exporte an. Um dem entgegenzuwirken, startete ADL 2021 das Projekt CATAPULT!, welches Tools zur Verfügung stellt, die Developer*innen den Einstieg in cmi5 erleichtern sollen.

CATAPULT! bietet z. B. einen Content-Player, eine Testumgebung, Templates für die Erstellung von Kursen und eine Best-Practice Dokumentation. So ist zu erwarten, dass in den nächsten Jahren immer mehr Autorentools cmi5 Kompatibilität erreichen und die Hürden für einen Umstieg abgebaut werden. 

Auch der LRS Markt bietet mittlerweile viele Optionen, angefangen mit Learning Locker, einem Open Source LRS, bis zu kommerziellen Anbietern von kombinierten LMS/LRS Systemen. Eine Übersicht der LRS Anbieter ist hier zu finden: https://adopters.adlnet.gov/ 

Wann bietet xAPI einen Mehrwert? 

Ungeachtet der Kompatibilität ist die Anschaffung und Einbindung eines zusätzlichen Systems (des LRS) eine Investition, die erst durch einen zusätzlichen Nutzen bedingt werden muss. Dieser Nutzen entsteht, wenn die Fähigkeiten der neuen Standards ausreichend Anwendung finden. Sollten Sie darüber nachdenken, xAPI für Ihre E-Learning Contents einzusetzen, können Ihnen folgende Fragen bei der Entscheidung helfen:

1. Gibt es viele Ausbildungs- und/oder Weiterbildungsmaßnahmen, die nicht am Computer stattfinden?
Werden die meisten Trainings im Unternehmen in Präsenz absolviert oder geschieht viel informelles Lernen, kann xAPI dabei helfen, den Überblick über diese Prozesse zu behalten. Wird z. B. in einem Blended Learning Format ein Seminar abgeschlossen, können die Lernenden einen QR-Code scannen und der Abschluss wird sofort im LRS vermerkt. So muss die Kursleitung nicht wie bis jetzt für jeden Teilnehmenden im LMS händisch eintragen, ob das Seminar erfolgreich absolviert wurde.

2. Gibt es Bedarf an einer Optimierung der Lernprozesse, bzw. soll Adaptives Lernen forciert werden?

Im Gegensatz zu SCORM kann xAPI sehr detaillierte Informationen liefern. Wie diese Informationen sinnvoll für Lernmaßnahmen genutzt werden können, sollte vorab gut analysiert und geplant werden. Möchte man z. B. Adaptives Lernen forcieren, können die durch xAPI generierten Informationen dazu eingesetzt werden, automatisiert passende Kapitel, Kurse, Seminare und Zusatzmaterialien freizuschalten. Sollte es keinen Optimierungsbedarf der bestehenden Lernprozesse geben, wird nicht das gesamte Potenzial von xAPI genutzt. 

3. Bestehen ausreichend Kapazitäten, um die größere Datenmenge zu speichern und auszuwerten?

Die Informationen, die mittels xAPI gesammelt werden, müssen gespeichert, kontinuierlich analysiert und nach der Erfüllung des Zwecks auch wieder gelöscht werden. Falls die Ressourcen für diese Schritte nicht bestehen und xAPI aus diesem Grund nur im gleichen Ausmaß wie SCORM genutzt wird, ist eine Umstellung unnötig.

Anmerkung zum Datenschutz

Die Idee des Erfassens aller möglichen Aktivitäten der Lernenden wird sicherlich vielen Kopfzerbrechen hinsichtlich der DSGVO bereiten. Diese Sorge ist durchaus berechtigt und sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Die Übertragung der xAPI Statements sollte, wie im Standard empfohlen, über HTTPS erfolgen. Was die Verarbeitung der Daten angeht, sollte bei der Auswahl des LRS Anbieters darauf geachtet werden, dass die geltenden Datenschutzrichtlinien bei der Datenverarbeitung eingehalten werden können. Diese Auswahl sollte in Zusammenarbeit mit Betriebsrat und Rechtsabteilung erfolgen, sodass sichergestellt ist, dass die DSGVO berücksichtigt wird. 

Darüber hinaus ist im xAPI Standard ein Personal Data Locker (PDL) mitgedacht. Dieser dient als Firewall zwischen den Lernenden und dem LRS. Die Lernenden können dadurch in der Theorie selbst entscheiden, welche Daten an welches LRS übermittelt werden sollen und haben so die volle Entscheidungsgewalt darüber, wer ihre Daten verarbeiten kann. Leider sind Implementierungen dieser Idee im kommerziellen Sektor kaum zu finden. Ein Open Source PDL wurde dafür aber schon 2015 von der Firma Sicher-im-Inter.net eG entwickelt.


Ist xAPI bei Ihnen im Unternehmen schon Thema? Haben Sie Fragen rund um den Einsatz xAPI? Lassen Sie es uns hier in den Kommentaren wissen.