Neue Lernhilfen braucht das Land!

Wenn man Stephanie Schmid nach der Motivation fragt, wieso sie völlig ehrenamtlich einen Deutschkurs für Flüchtlinge kreiert hat, antwortet sie mit einem einfachen: „Die Menschen wollten lernen und wir hatten keine Unterlagen, um ihnen dabei zu helfen.“ Das war Anfang 2015. Mittlerweile verbreitet sich ihr Programm deutsch.fit – auch mit Hilfe von LearnChamp – über die Landesgrenzen hinaus.

LearnChamp_Deutschkurs Klosterneuburg_Level 1

Du wolltest mit anderen Freiwilligen in der Kaserne in Klosterneuburg eigentlich nur helfen, neu angekommene Flüchtlinge zu betreuen. Wie wurde daraus eine Deutschklasse?

Es gab ein sogenanntes „Get together“, ein Kennenlernen bei Kaffee und Kuchen, in einer Schule. Auf jeden Fall gab es plötzlich das Gerücht, dass es auch einen Deutschkurs geben wird. Alle wollten die Sprache lernen, vom Analphabeten bis zu jenen, die gut Englisch gesprochen haben.

Und wie fängt man an, jemandem Deutsch beizubringen, vor allem wenn man selbst nicht dazu ausgebildet wurde?

Man beginnt mit „Ich heiße Stephanie. Wie heißt du?“ Dann ergeben sich daraus die Pronomen er, sie, wir, etc. Dann die Tage, damit jeder Teilnehmer weiß, wann der nächste Kurs ist. Aber sehr schnell haben sich die unterschiedlichen Alphabetisierungsniveaus gezeigt. Oder, dass zum Beispiel die Frauen eine andere, ruhigere Lernumgebung brauchen. Nach der Aufteilung war das Problem, dass an jedem Tisch oft der Lehrer gewechselt hat und nicht genau wusste, was am Vortag gemacht wurde. Also habe ich begonnen, meine Notizen in Word zusammenzuschreiben und auf Wunsch zu verteilen.

So ist Level 1 entstanden, gefolgt von Level 2 für die, die sehr rasch gelernt haben, ergänzt um ABC für die Schüler, die erst alphabetisiert  werden mussten. Wir haben dann schnell erkannt, dass wir die Schüler entsprechend ihrer Leistungsgruppe einteilen mussten um sie sowohl bestmöglich zu fördern, als auch die Lehrer zu entlasten.

Level 3 und 4 haben sich dann fast automatisch ergeben. Wir konnten beobachten, dass einige Schüler in 4 Monaten Deutsch gelernt haben.

Lernhilfen oder Unterlagen aus Schulen gab es nicht?

Schon auch, ein paar anwesende Lehrerinnen haben Unterlagen mitgebracht. Aber es war wirklich schwer geeignetes Material zu finden, weil geflüchtete Menschen ganz andere Ansprüche an Sprachkenntnisse haben. Sie müssen rasch lernen, kommunizieren zu können. Da helfen Spiele und kleine Wettbewerbe. Man kann zum Beispiel einen Würfel verwenden, um Verben zu deklinieren. Wichtig ist auch, Worte zu finden, die sie vielleicht schon kennen – z.B. Auto oder sogar „Volkswagen“.

Aus den „paar Zetteln mit Notizen“ ist mittlerweile die Seite deutsch.fit mit strukturierten Lernunterlagen, interaktiven Instrumenten und gesprochenen Texten geworden - war das der logische nächste Schritt?

Die Geflüchteten haben fast alle ein Smartphone und Internetzugang. Deshalb haben mein Mann Laurin Herlt, der im IT-Bereich tätig ist, und ich uns gedacht, wir stellen die Dokumente online, damit die Schüler auch zu Hause lernen können. Und auch damit sie weiterlernen können, wenn sie nicht mehr in Klosterneuburg sind.

Dann kam noch die Idee Texte zu vertonen, um ihnen beim Erlernen der Aussprache zu helfen. Und wir wollten interaktive Elemente wie Lückentexte, etc. – und hier kam LearnChamp mit der Expertise zur Digitalisierung von Lernmaterial ins Spiel.

Die große Herausforderung war, die Webseite und Schaltflächen so einfach zu gestalten, dass sie auch jemand ohne Deutschkenntnisse und vor allem auch Analphabeten bedienen können. Das haben wir gemeinsam mit dem LearnChamp-Team erarbeitet und es ist gut gelungen!

Stephanie+Thomas

Durch die Webseite deutsch.fit hat sich der „Deutschkurs Klosterneuburg“ dann schnell verbreitet. Habt ihr das aktiv beworben?

Zuerst habe ich durch einen schönen Zufall von der Verbreitung erfahren. Ein junger Asylwerber kam aus Traiskirchen nach Klosterneuburg und als ich ihn nach seinen Sprachkenntnissen fragte, sagte er stolz: „Ich bin schon Level 3.“

Seither macht es mir viel Spaß mit Hilfe von Google Analytics zu beobachten, wer in welchem Land gerade auf die Webseite zugreift. Aber es kommen auch viele Mails mit Rückfragen und vor allem herzlichen Dankesworten. Dieses Feedback ist sehr schön, vor allem für mich, weil ich das als TV und Werbe-Sprecherin sonst nicht so habe.

Und wie geht es jetzt weiter?

Mittlerweile sind wir praktisch zu einem sozialen Start-Up geworden, wie es der „Kurier“ einmal formuliert hat, und tatsächlich haben wir unser Angebot um einen Online-Shop erweitert, wo man direkt bei einer Druckerei die Unterlagen anfordern kann.

Der ORF hat uns auch in seine Webseite helfenwiewir.at integriert. Wichtig ist die Anerkennung durch Sprachschulen: Wer gemeinsam mit einem Betreuer Level 2 von deutsch.fit absolviert hat, wird in Zukunft auf kürzerem, und billigerem Weg, zum A1-Sprachzertifikat kommen. Das entlastet auch die Sprachschulen.

Gemeinsam mit LearnChamp haben wir gerade die interaktiven Elemente auf der Webseite erweitert, z.B. um eine Online-Version des Wörter-Memory. Spiele sind in diesem Lernfall eine der besten Lernmotivationen.


_MG_1561Stephanie Schmid unterstützt ehrenamtlich Flüchtliche in ihrem Heimatort Klosterneuburg und betreibt die Website deutsch.fit. Die dort publizierten Lernunterlagen helfen Flüchtlingen und Asylwerbern beim Erlernen der deutschen Sprache. In Kooperation mit LearnChamp hat Stephanie E-Learning Kurse erstellt, die auch für mobile Endgeräte verfügbar sind, da viele Flüchtlinge in den meisten Fällen ein Smartphone und Internetzugang haben. Hauptberuflich ist Stephanie als TV- und Werbe-Sprecherin für den ORF tätig.